Der Umzug ist neben der Geburt der einzige echte Ausnahmezustand im Leben des modernen Menschen – ein Alphabet des Ortswechsels. (Erschienen in der Süddeutschen Zeitung vom 26. April 2011 und auf jetzt.de.)
Anweisungen
Wer umzieht, muss sich dauernd entscheiden, muss seinen Helfern klare Anweisungen geben und mal eben vom Internetklickschlumpf zum Alltagskapitän werden. Angeblich bauen gerade immer mehr Personalchefs in ihre Assessment Center Umzugssituationen ein, um so die Belastungsfähigkeit der Kandidaten zu testen.
Besserwisser
Nur wenige Helfer haben ihr Handwerk beim Sherpa gelernt. Vielen ist das Wort Demut deshalb fremd. Sie mischen sich in die Abwicklung des Umzugstages ein („Bevor wir alle rumräumen – wollen wir nicht erst einen Plan machen?“) und glauben, nur weil sie helfen, im Besitz des Meckerrechts zu sein. („Ich hab’ ja gesagt, wir sollten erst die Matratze und dann die Lavalampe reintun. Jetzt schwappt die ganze Lava im Transporter rum.“)
Chaos
Es entsteht, wenn der Umzieher ein Spätaufsteher ist und von seinen Helfern aus dem Bett geklingelt werden muss. Im Umzugsjargon spricht man dann von einem UKASTA, einem Umzugskaltstart.
Durst
Tragen macht Trocken. Leider steht die wohnzimmerwarme Kiste mit Mineralwasser in Durstmomenten zuverlässig in der alten Wohnung, während man gerade dabei ist, die neue Wohnung einzuräumen. An das kühle Bier traut sich vor 16 Uhr niemand. Also zieht jemand den Wasserkocher und das verheerend alte Capucchino-Pulver aus einer Kiste.
Entschuldigungen fürs Nichthelfenkommen
1. „Ich habe mir vergangene Woche beim Lachen die Backen gezerrt.“
2. „Mein Vater hat sich bei sowas einen Bandscheibenvorfall geholt. Ich habe Angst.“
3. „An dem Wochenende wird meine Oma seliggesprochen.“
4. „Du hast mir auch nicht geholfen.“
Freunde
Umzugshelfer sind nicht zwangsläufig die besten Freunde. Sehr häufig handelt es sich bei den Helfern nur um Bekannte. Das ist in Ordnung. So entsteht einen Tag lang eine Art echtes Arbeitsverhältnis.
Gehsteig
Während man seinen Transporter zum Einzug auf den Gehsteig stellt, erkennt man die Stimmung im neuen Viertel: Wer die zwei Reinräumstunden ohne Anwohnermosereien hinter sich bringt, obwohl er alle Zufahrten verparkt, darf auf eine erquickliche Wohnzukunft in gelassenem Ambiente hoffen.
Heucheln
Helfer trägt seine erste Kiste in die Wohnung und versucht sich in einer netten Einschätzung der neuen Wohnsituation des Einziehers: „Hui, super, ganz wenige Fenster. Wird’s im Sommer nicht so heiß.“ – „Der Herd auf dem Gang! Das hab ich mir bei mir auch schon mal überlegt.“ – „Ach, cool, das sind diese alten Gründerzeitwohnungen, in denen man die Kloschüssel noch neben den Nachttisch gestellt hat.“)
Intimes
Wer sein Leben verfrachtet, muss gezwungenermaßen private Sachen herzeigen. Manchmal fällt was aus der Kiste und sorgt für Fragen. „Hast du echt immer noch die Schablonen aus den Nutella-Deckeln, mit denen man den Pumuckl zeichnen kann? Krass.“
Jeminee
Anders als ein Fußballspiel kann man einen Umzug nicht einfach verlassen. Fachleute empfehlen zur Seelenentlastung deshalb dahingemurmelte Seufzer. „Jeminee“ zum Beispiel.
Kaputt
Siehe Buchstabe B, letzter Satz.
Lastkahn
Wer einen Bulli hat, hat automatisch viele „Freunde“ mit vielen Wohnungen und muss sich um die Gestaltung seiner Samstage keine Sorgen machen.
Mann
Ein für einen Umzug leider immer noch unentbehrliches Geschlecht. (wg. Waschmaschinen, Sofamonstern et al.)
Nur zehn Kisten
Der gewöhnliche Umzieher checkt meist nicht, wie viele Kubikmeter Kistenraum sein Geraffel braucht. Eine Faustformel besagt, dass unerfahrene Umzieher meistens dreimal so viele Kisten benötigen wie ursprünglich geschätzt.
Obstsalat
Ist zur Verköstigung von Umzugshelfern nicht geeignet.
Pizza
Treibstoff für menschliche Umzugsmaschinen. Firmiert während des Umzugs als „Möbelfladen“. Dazu gibt es „Schlepperplörre“ (Bier).
Quer
„Probieren wir es halt mal quer“ ist ein gern gesagter Satz von Umzugshelfern, der häufig die Lösung eines Problems einleitet.
Rückgrat
Natürlich hat die AOK-Rückengymnastikbroschüre recht. Sie zeigt Frauen, die kleine Wasserkästen anheben und dabei, zur Schonung ihrer Wirbelsäule, in die Hocke gehen, den Rücken gerade halten und immer „Heeebt an“ zu sich sagen, ehe sie die Sache wuchten. Allerdings halten das Leben und ein Umzug nur wenige Broschürensituationen bereit. Tja, Rückgrat: Face it!
Schwitzige Helfer
Eine gute Achselnässe ist ein Zeichen für ein intaktes Körpertemperaturmanagement. Schön, soweit. Aber wie geht man während eines Umzugs mit riechenden Schwitzkästen um, ohne einen Naseninfarkt zu erleiden? Man schickt sie in die Gegenrichtung. In den Keller. Zum Auto. In die alte Wohnung – hin zum warmen Mineralwasser.
Treppenhaus
Wird in Neubauten immer enger. (Umzugshelfer, leise seufzend: „Jeminee.“)
Übergabe
Bei Wohnungsübergaben fehlt es meist an drei Dingen: Licht, Klopapier, Kugelschreiber. Gut sind jene Wohnungsübergeber, die genau diese Dinge da lassen. Wer zusätzlich eine Flasche kühles Mineralwasser stehen lässt, bekommt ein „Gefällt mir“-Schild.
Voll
Natürlich geht in einen Transporter immer noch was rein. Nur sollte der Umzieher abwägen: Eine gewiefte Schlichtung nimmt viel Zeit in Anspruch, die wiederum von der Ladezeit abgeht.
Wohin?
Die meistgestellte Frage am Umzugstag. Die meistgebrauchte Antwort lautet überraschenderweise: „Wo Platz ist.“
Xylophon
Ein bisschen Kindheit zieht immer mit in eine neue Wohnung.
Yps
Gepresster Atemlaut beim Anheben einer großen Kiste.
Zu schwer
Zwei Signalworte, mit denen der überladene Zustand von Bücherkisten kommentiert und der zu erwartende Siegeszug digitaler Lesegeräte begrüßt werden kann.